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Yogatherapie

Schmerzende Handgelenke…

… und wie beim Yoga damit umgegangen werden kann

von Bärbel

Empfindliche Handgelenke dürfen kein Grund sein, nicht regelmäßig Yoga zu praktizieren. Dafür ist die Yogapraxis für Körper und Geist viel zu wertvoll.

Meine Worte

Pausieren heißt nicht Nichts-Tun

In jedem meiner Yoga Retreats nimmt mindestens eine Person mit chronischen Handgelenkschmerzen teil. Für sie ist jeder nach unten schauenden Hund oder die schiefe Ebene unangenehm bis qualvoll. Empfindliche Handgelenke zu haben bedeutet nicht, dass Yoga zu üben nicht mehr möglich ist. Es gilt, eine individuelle Strategie zu finden, die das Stützen auf den Händen wieder möglich macht. Das kann ein paar Monate dauern. Und es bedeutet, dass das Hand-Stützen erst mal ausgelassen wird und stattdessen Kräftigungsübungen ohne Belastung, also OHNE Stützen und vor allem im schmerzfreien Bereich geübt werden dürfen. Regelmäßig und: mit Geduld.

Für alle, die sich angesprochen fühlen und trotz empfindlicher Handgelenke regelmäßig Yoga üben möchten, habe ich eine Video-Liste mit dem Titel Yoga (fast) ohne Stützen zusammengestellt. Sie beinhaltet 19 Videos, die euch bzw. euren Handgelenken eine Erholungsphase schaffen dürfen. Ganz ohne Druck auf die Handgelenke. Lediglich der eine oder andere Vierfüßlerstand ist dabei – doch den kann man wunderbar variieren. Es gilt: Nur weil die Handgelenke gerade zickig sind, müssen Körper und Geist nicht auf die positiven Effekte einer regelmäßigen Yogapraxis verzichten.

Hier geht es zur Liste » Yoga (fast) ohne Stützen

Hinweise zu den Videos

In manchen Videos kommt der Vierfüßlerstand vor – eine klassische Hand-Stütze. Entscheidet euch für eine Variante, die für eure Handgelenke im schmerzfreien Bereich funktioniert, z.B.:

  • auf Fäusten stützen
  • die Hände fünf bis zehn Zentimeter weiter nach vorn nehmen (=anderer Winkel im Handgelenk und damit weniger Druck)
  • Polstern der Handgelenke oder: Liegestützgriffe benützen (siehe weiter unten im Text bei »Lösungsvorschläge«)

Kräftigende Übungen wie »Sonne-Faust« (Seeanemone), Schütteln oder Lymphdrainage findest du in mehreren Videos, z.B.

Ursachen von Handgelenkschmerzen im Alltag und im Yoga

Die Muskulatur der Hand und des Unterarms ist bei vielen von uns durch einseitige Alltagstätigkeiten ungleichmäßig bis wenig beansprucht. Schultergürtel, Arme, Hände, die knorpeligen Gelenkstrukturen, Knochen und die sie umgebenden Weichteile sind in unserem modernen Alltag selten Stützbelastungen ausgesetzt bzw. nicht auf ein Übermaß an Stützbelastung eingestellt.

Als Yogalehrerin begegne ich Yogis und Yoginis mit Arthrose im Handwurzelgelenk oder Daumengrundgelenk, gerne mit Beginn der Wechseljahre, Karpaltunnelsyndrom, Schmerzphänomene aus dem Bereich der Halswirbelsäule oder des Armnervengeflechts, Muskeldysbalancen, vorangegangenen handgelenksnahen Knochenbrüchen mit Nachwehen, etc. Für sie kann sich das wiederholte Stützen auf den Händen, z.B. im Hund, in der schiefen Ebene, dem Liegestütz (chaturanga dandāsana), der Krähe (bakāsana) etc. äußerst schmerzhaft anfühlen.

Ich begegne auch Yogis und Yoginis, die von Null auf 100 mit Yoga begonnen haben, ohne im Besitz der notwendigen Stützkraft zu sein, die ihre Handgelenke eigentlich bräuchten. Die aus diesem Übermaß resultierenden Handgelenkschmerzen können, über Wochen und Monate ertragen bzw. ausgehalten, chronisch werden.

»No pain, no pain«

Wichtig zu wissen: Yoga āsanas dürfen und sollen schmerzfrei funktionieren. In diversen āsanas die Zähne zusammenzubeißen, entspricht nicht der Philosophie des Yoga. »Ahimsa«, Sanskrit für Gewaltfreiheit, gilt nicht nur für Gedanken, Worte und Taten im Umgang miteinander, sondern auch im Umgang mit uns selbst. »No pain, no gain«, der klassische, antreibende Spruch, wie wir ihn aus dem Leistungssport kennen, kann im – meiner Meinung nach – Yogakontext keine Wirksamkeit finden. Wie seht ihr das?

Wissenswertes aus der Anatomie

Das Handgelenk befindet sich dort, wo sich acht Handwurzelknochen mit der Speiche und, über eine knorpelige »Scheibe« (Diskus), mit der Elle gelenkig miteinander verbinden. Das bedeutet, dort befindet sich wie an allen Gelenken bzw. Gelenkpartnern jeweils ein Gelenkspalt, der bestenfalls mit ausreichend Flüssigkeit (Synovia) gefüllt ist, einer umgebenden Kapsel, Bändern, mit Knorpel überzogene Gelenkflächen. Bei noch ungewohnter Überbeanspruchung können diese Strukturen überbeansprucht oder gezerrt werden.

Lösungsvorschläge bzw. Inspirationen

Schmerzfreiheit ist für yogatherapeutisches Üben immer die Voraussetzung. Wenn etwas weh tut, ist es nicht die richtige Übung, d.h., es darf eine Variante gefunden werden, die sich angenehm anfühlt.

Um handgestützte āsanas im Yogaunterricht angenehm zu erleben, gilt für empfindliche Handgelenke ein langsamer und schrittweiser Aufbau der Muskulatur und der Gewichtsbelastung. So können sich Hände, Arme und Schultern an die Herausforderung gewöhnen.

Bereits im Artikel Warm-Up für die Handgelenke habe ich erklärt, dass es selbstverständlich nicht den einen Lösungsvorschlag gibt. Uns allen steht ein buntes Potpourri an Maßnahmen zur Verfügung, die sich so oder anders sowohl in die Yogapraxis als auch in den Alltag integrieren lassen. Ich empfehle einen individuellen Mix, der für den individuellen Bedarf zusammengestellt werden darf.

  1. Bewusstes, achtsames Kräftigen: Je mehr Muskulatur um ein belastetes Gelenk herum existiert und funktioniert, desto besser ist es geschützt. Eine Überbelastung der Handgelenke KANN vermieden werden, indem Unterarm- und Finger-Hand-Muskulatur bewusst aktiviert wird, z.B. durch »Sonne-Faust« bzw. »Seeanemone« (Finger weit abspreizen, dann eine feste Faust machen, das Ganze im schnellen Wechsel), Vierfüßler oder nach unten schauender Hund auf den Fingerkuppen.
  2. Schütteln! Ihr kennt das ja mittlerweile von mir und es gibt von mir einen ganzen YOGAMOUR plus Magazin-Artikel nur über Schütteln (hier geht es zum Artikel). Schütteln ist für die Gelenke wohltuend. Dabei entstehender Zug und Druck, auch intermittierende Traktion genannt, wirken sich positiv auf die Gelenkflüssigkeit und deren Kontakt zum Gelenkknorpel aus. Der Knorpel wird genährt. Meist muss man beim Schütteln auch noch lachen. Win-Win!
  3. Polstern der Handgelenke oder Liegestützgriffe benutzen: Um die Druckbelastung der Handgelenke beim Stützen zu reduzieren, kann es helfen, die Hände mit einer gerollten Decke oder Yogamatte zu unterpolstern oder für ein paar Wochen mit Liegestützgriffen zu üben. (Es gibt schöne Holz-Liegestützgriffe, z.B. von EdelKRAFT. Ansonsten einfach den Begriff »Liegestützgriffe« googeln.)
  4. Hände hoch und ausstreichen: Die Hände über Herzhöhe zu halten, regt den Rückfluss sich ansammelnder Stoffwechsel-Schlacken an (dazu noch schütteln oder Sonne-Faust üben), das ist nicht anders als beim Beine an der Wand hochlegen. Das Ausstreichen der Handflächen und Fingerinnenseiten tut insbesondere gut, wenn ein Carpaltunnel-Syndrom, Arthritis oder Restbeschwerden von Handgelenksbrüchen vorliegen. Inspiration dazu findet ihr in Warm-Up für die Handgelenke, Pranadusche GalorePyjama Āsanas
  5. Immer im schmerzfreien Bereich üben bzw. neugierig und kreativ bleiben: Treten bei Spielplatz-āsanas wie Handstand oder Krähe vermehrt nachhaltige Schmerzen auf, empfehle ich, auf ein anderes Spielzeug umzusteigen. Wie wäre es denn mal mit Krabbeln? Wann seid ihr das letzte Mal durch eure Wohnung gekrabbelt? In die Küche? Ins Bad? Das ist nicht nur eine wunderbare und kräftigende Stützübung für Handgelenke, Arme und Schultergürtel, sondern auch für die Knie. Wann sind eure Handgelenke oder eure Kniescheiben einer derartigen Belastung ausgesetzt? Nie. Knochen bleibt aber nur unter Belastung stark. Deshalb: back to the roots. Krabbelt! Schmerzfrei natürlich.
  6. Selbstverantwortlich üben: Jeder Yogi und jede Yogini ist für seinen bzw. ihren Körper selbst verantwortlich. Es steht allen offen, während des Praktizierens der āsanas strikt den universalen Alignment-Vorgaben der Yogalehrer:innen zu folgen oder selbstverantwortlich zu handeln und das persönliche Alignment zu finden. D.h. beispielsweise im Vierfüßlerstand die Hände nicht direkt unterhalb der Schultergelenke zu platzieren, sondern den Winkel zu verändern und die Hände weiter nach vorn zu bringen. Das ändert den Winkel bei der Handgelenks-Streckung (Extension) und nimmt vielleicht verspürten Druck aus dem Handgelenk. Dasselbe gilt für alle āsanas, die auf den Händen geübt werden (Hund, Planke): wie verändert sich im nach unten schauenden Hund der Druck auf die Handgelenke, wenn die Ellbogengelenke ganz leicht gebeugt sind.
  7. Unterarmstützen nützen: die sogenannte Unterarm-Planke kräftigt nicht nur den Schultergürtelbereich, sondern sorgt für Core Stability, das Ganze bei nicht belasteten Handgelenken. Planken + Krabbeln = Happy Handgelenke.
  8. Ihr dürft immer eure ADLs im Blick haben (Activities of Daily Living). Wie beansprucht sind eure Handgelenke im Alltag? Wie ist die Stellung des Handgelenks am Computer, wie haltet ihr die Maus? Für wie viele Minuten/Stunden ohne Pause? Wie verhält es sich beim Tragen von Gegenständen oder Babys (wenn ihr z.B. junge Mamas oder Papas oder Großeltern seid)? Knickt ihr es beim Schlafen ab? Usw. Schreibt mir gerne eure Beobachtungen unten in die Kommentare, das ist Inspiration für alle, die mitlesen!
  9. Entdeckt für euch, was sich außerdem für eure Handgelenke gut anfühlt. Könnte Ernährung einen Einfluss haben? Wie fühlt sich Wärme für die empfindlichen Gelenke an? Für alle Frauen 40 plus (und manchmal auch jünger): Gelenkbeschwerden gehen oft Hand in Hand mit den beginnenden Wechseljahren. Und wenn ihr für euch ein paar wohltuende Werkzeuge herausgefunden habt: Verwöhnt eure Gelenke! Das würdet ihr mit euren Liebsten und Freund:innen auch machen. Und: Teilt eure Tipps gerne unten in den Kommentaren, damit wir alle davon profitieren können.

Übt achtsam, liebe YOGAMOUR-Yogis und -Yoginis! Lasst euch von mir mit meiner manchmal ein bisschen mütterlichen Vorsicht nicht die Freude am Stützen verderben ;). Gleichzeitig dürft ihr euch im »Hinfühlen« üben. Der Körper drückt meist schon recht früh aus, wenn ihm etwas nicht passt – sei es beim Halten der Computermaus oder im nach unten schauenden Hund. Und dann könnt ihr ins Tun kommen… damit es gar nicht erst zu anhaltenden Schmerzen kommt.

Fühlt euch gedrückt und: Alles Liebe!

Eure Bärbel

P.S.: »Üb achtsam«, sagt die Yogini. Geduld ist dabei die Freundin der Achtsamkeit…

Zum Weiterüben bzw. -stöbern

  • Du möchtest mehr zu speziellen Themen wie Schultergelenke, Nacken, Rücken oder Beckenboden wissen? Dann stöbere in unserer Sammlung Anatomie & Yoga zum Anfassen!
  • Auch bei Yoga-Tipps findest du Infos zur Yoga-Praxis, zu einzelnen Haltungen, Anatomie, Yoga-Philosophie und yogatherapeutische Inspiration.
  • In der Sammlung Take Care befinden sich meine Yoga-Anleitungen mit yogatherapeutischem Ansatz. Sie sind ideal bei Einschränkungen im Bewegungsapparat (z.B. wegen akuter Verletzungen) oder bei Schmerzen.
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Veröffentlicht am 29. September 2024 | Geschrieben von Bärbel | Alle Artikel von Bärbel

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